Führen über Distanz

von Philipp Riederle

Das Führen über Distanz unterscheidet sich vom Führen der Mitarbeiter am selben Ort. Es stellt Führungskräfte auf die Probe – und dennoch ist diese Kompetenz in der heutigen Zeit unerlässlich. Bei Teams, die auf mehrere Standorte verteilt sind, führt kein Weg dran vorbei. Und die Möglichkeit zum Homeoffice sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein. In dieser Ausgabe von “Digital? Klar!” geht es um Herausforderungen, Lösungsvorschläge und die ersten Schritte.

Inhalt der Folge

Wieso über Distanz führen?

Wenn Mitarbeiter über verschiedene Standorte verteilt sind oder mobil, beispielsweise im Home Office, arbeiten. Die Option des Home Office wird heute einem attraktiven Arbeitgeber erwartet. In Krisensituationen, wie zum Beispiel der Corona-Krise, kann diese Kompetenz unerlässlich sein.

Unterschiede: Führung über Distanz vs. Führung vor Ort

Offensichtlich sieht man sich mehr jeden Tag. Das beeinträchtigt den Austausch zwischen Chef und Mitarbeiter, aber genauso den des Teams untereinander. Spontanität fällt weg, man kann nicht mehr auf Zuruf arbeiten und auch kurze Nachfragen sind nicht mehr möglich. Oder sie müssen zumindest anders organisiert werden. Außerdem entfällt für Sie als Chef ein gewisses Element der Kontrolle: Geht jeder wirklich konzentriert seiner Arbeit nach? Wobei, ehrlicherweise ist auch bei örtlicher Präsenz der Mitarbeiter nicht ganz einfach zu erkennen, wer gerade geistig abschweift oder gerade beim online shoppen ist.

Nicht zu vergessen, ist das Wegfallen von informellem Austausch. Es gibt keine Konversationen mehr an der Kaffeemaschine, auf dem Flur oder in der Pause. Doch dieser informelle Austausch ist essentiell für den Zusammenhalt des Teams und damit die Stimmung hochgehalten wird. Die Unternehmenskultur wird hierbei entscheidend mitgeprägt.

Führung über Distanz – so gelingt es!

1. Definition von Standards und einheitlichen Vorgehensweisen

Was sich im Büro-Arbeitsalltag auf Zuruf jederzeit kurz und spontan klären lässt, sollte nun klar festgelegt werden. Derartige Fragen müssen geklärt sein, damit Sie und ihr Team sich auf die Arbeit an sich konzentrieren können. Zum Beipsiel: Melde ich mich morgens? Schicke ich abends einen Bericht meiner Arbeit? Trage ich den Fortschritt meiner Arbeit in ein Tool ein? Über welchen Weg tauschen wir Dateien aus oder halten wir Konferenzen?

2. Klarheit im Führungsstil

Wenn sich das Team untereinander nicht sieht, braucht es klare Zuständigkeiten und Rollen – damit jeder weiß, wer gerade was macht. Es braucht klare Indikatoren, Meilensteine und Zwischenziele, an denen sich jeder orientieren kann. Ein besonders gut strukturiertes Projetmanagement ist hier essentiell.Das bedeutet für Sie auch eine klare Delegation von Aufgaben: Es braucht klare Angaben welches Arbeitspaket von wem, wann durchzuführen ist.

Als Hilfestellung kann man sich hier auch an der Zielsetzungstheorie orientieren. Diese kommt aus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Projektmanagement, wobei das Akronym „SMART“ im Zentrum steht. Das steht für:

  • Spezifisch
  • Messbar
  • Aktivierend
  • Realistisch
  • Terminiert

Während der Bearbeitung eines Projektes sollten sie sich stetig über den Fortschritt up to date halten.

Für Sie als Führungskraft bedeutet das Führen über Distanz weiterhin, dass sie verschiedene Aspekte der Zusammenarbeit organisieren: Es geht nicht nur darum, verschiedene Aufgaben zu verteilen und Verantwortlichkeiten zuzuweisen. Es geht auch weiterhin darum, Beziehungen zu pflegen, das Team zu motivieren und die Sinnhaftigkeit der einzelnen Aufgaben zu vermitteln. Entscheidend ist auch, dass Sie ihrem Team Vertrauen zeigen und kein Micromanagement betreiben.

All dies gilt natürlich auch für das Führen vor Ort – ist aber gerade in Situationen des Führens über Distanz unerlässlich.

3. Stetige Kommunikation

Kommunikation findet nicht mehr beiläufig statt, sondern muss explizit organisiert werden. Der Kommunikationsfluss sollte auch über Distanz nicht abreißen, idealerweise sollte er sogar verstärkt werden.

Nützlich hierbei können verlässliche Termine sein, bei denen das gesamte Team oder gewisse Mitarbeiter zusammenkommen. Zum Bespiel:

  • Ein wöchentliches Teammeeting, wo das ganze Team zusammenkommt. Jeder Teilnehmer erzählt kurz woran er/sie gerade arbeitet, was Themen, Ziele und Herausforderungen sind und wo man neue Aufgaben verteilen kann. Also alles, was das operative Geschäft betrifft. Außerdem ist es eine gute Idee einen zweiten Themenblock aufzunehmen, der die Hinterfragung der Zusammenarbeit betrifft: Welche Standards können verbessert werden wie wollen wir eigentlich zusammenarbeiten? Die Idee der Governance Meetings entstammt dem Organisationsmodell der Holacracy und ist gerade bei der verteilten Zusammenarbeit extrem wichtig.
  • Daneben könnte sich auch ein kurzes tägliches Update bewähren. Ein morgendliches Stand-up Meeting (eine Idee aus den agilen Methoedn) mit dem gesamten Team wäre ein denkbares Format. Jeden Morgen erzählt ganz knapp woran er gerade arbeitet und was er gerade fertiggestellt hat, was die nächsten Themen und Herausforderungen sind. Dialog und Interaktion sind dabei absolut verboten. Der Dialog findet im Nachhinein unter den einzelnen Teammitgliedern statt. Denn die maximale Dauer ist auf 5- 10 Minuten begrenzt – es geht rein darum sich gegenseitig über den aktuellen Arbeitsstand und Zuständigkeiten auf den neuesten Stand zu bringen.
  • Für Sie als Chef ist der persönliche Kontakt mit jedem einzelnen Mitarbeiten unabdingbar. Idealerweise sollten Sie wöchentlich je ein 1:1 Meeting planen. Dabei können Themen im Detail besprochen werden, aber auch insbesondere Feedback und Coaching gegeben werden. Also die Arbeit, die Sie auch normalerweise mit den Mitarbeitern persönlich vor Ort machen würden. • Außerdem kann die informelle Konversation nachgeholt werden, die ansonsten an der Kaffeemaschine stattfinden würde. So ist es keinesfalls verschwendete Zeit 10-15 Minuten mit Fragen nach dem Wohlbefinden der Familie und dem Umgang mit der Remote Situation zu verbringen. Dieser persönliche Austausch minimiert Reibungsverluste zu späteren Zeitpunkten – was sich vielfach wieder auszahlt.

Trotz all der Technik vergessen Sie nicht, dass es weiterhin sehr wichtig ist Feedback zu geben, zu coachen und Mitarbeiter für besondere Leistungen zu loben oder herauszustellen. Auf einen Erfolg anstoßen kann man mit dem Team übrigens auch per Videokonferenz.

Idealerweise sollen alle virtuellen Meetings als Videokonferenz stattfinden: Zahlreiche Studien belegen die höhere effektivität gegenüber reinen Telefonkonferenzen. Die Konzentration ist höher und die gegenseitige Sichtbarkeit vermittelt ein Gefühl, mit wem man es zu tun hat. Mehr Kommunikationsebenen, wie Mimik und Gestik, werden mit übertragen.

4. Tools, Medien und Plattformen zur Führung über Distanz

Welches Medium ist für welchen kommunikativen Anlass am besten geeignet? Stellen Sie sich diese Frage vor jeder Interaktion! Wenn es nur darum geht, in eine Richtung Informationen zu vermitteln, kann in vielen Fällen noch immer die klassische Email der beste Weg sein. Soll aber tatsächlich ein Austausch und Interkation stattfinden, sind Videokonferenzen das Mittel der Wahl.

Folgende Medien und Tools unterstützen Sie bei der Führung über Distanz:

Mehr Informationen zu den verschiedenen Tools finden Sie in den jeweilige Podcast -Ausgaben zu den einzelnen Themen.

Die ersten Schritte zur Führung über Distanz

1. Bewusstsein

Machen Sie sich bewusst: das Führen über Distanz läuft anders als das Führen vor Ort. Neue Gewohnheiten müssen sich erst bilden, Geld ist gefragt. Betrachten Sie die Umstellung als großes Experiment, in dem Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern lernen.

2. Kick-off-Meeting

Erarbeiten Sie gemeinsam mit dem Team Standards, zum Beispiel zur die Häufigkeit der Meetings und Tools. Auch gilt es Erwartungen, Herausforderungen, Bedürfnisse und Vorschläge des Teams zu besprechen.

3. Bereitstellung der Tools

Stellen sie die notwendigen Tools zur Verfügung. Dies muss nicht von Anfang an perfekt und komplett sein. Wenn Sie zunächst mit einem Videokonferenz Tool beginnen und alles andere zunächst über Email bearbeiten, ist das noch immer besser als gar nicht über Distanz zusammenzuarbeiten. Arbeiten Sie sich Schritt für Schritt nach vorne.

4. Legen Sie los!

Der entscheidende Schritt! Starten sie gemeinsam mit Ihrem Team und sammeln Sie Erfahrung!

5. Feedback, Iteration und Anpassung

Sobald sie losgelegt haben, stellen Sie regelmäßig Standards und Herangehensweisen in Frage. Gehen Sie auf Vorschläge und Feedback des Teams ein, die sie idealerweise im wöchentlichen Teammeeting bekommen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert