Ok, Boomer? Zusammenarbeit zwischen Generationen

von Philipp Riederle

Wenn unterschiedliche Generationen am Arbeitsplatz zusammenkommen, dann birgt das riesiges Potential: voneinander zu lernen, gemeinsam bessere Ergebnisse zu erzielen oder noch innovativer zu sein. Reichlich Potential bietet sich aber auch für Vorurteile und Konflikte. In dieser Ausgabe von „Digital? Klar!“ sprechen wir darüber, wie die Zusammenarbeit zwischen den Generationen gelingen kann. Und zwar für beide Seiten erfolgreich und inspirierend.

Inhalt der Folge

Alt gegen Jung oder Alt mit Jung?

  • Gegenseitiges Unverständnis
    Ok, Boomer! Dieser Ausdruck hat sich im Jahr 2019 als Internet Meme entwickelt. Es ist der frustrierte Blick der jungen Generation auf die Babyboomer-Generation, also die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegsjahre 1955–1969. Indem sie sie zurückweisen oder sich über sie lustig machen, wehrt sich die junge Generation gegen pauschalisierende und abwertende Kritik der älteren Generation. Schnell wird ersichtlich, dass es hier Spannungen, wenn nicht sogar einen Generationenkonflikt gibt. Doch Spannungen behindern die flüssige Zusammenarbeit! „Ich erlebe viele Generationenkonflikte im Zusammenhang mit Unterschieden in der Kommunikation, Grundeinstellungen zur Arbeit. Dies führt zu einer Barriere, die Vertrauen erschwert“ sagt die Präsidentin eines amerikanischen Weiterbildungsinstituts im Interview mit Forbes. Doch lassen sich die gegenwärtigen Herausforderungen und Transformationen nicht von einer Generation lösen. Weder die ältere noch die digitale Generation kann im Alleingang das erreichen, was sie zusammen erreichen könnten. Denn den Älteren fehlt oftmals das Know-how der jungen Leute im digitalen Bereich. Der digitalen Generation hingegen fehlt im Alleingang naturgemäß die Berufserfahrung der Älteren. Es muss also das Beste von beidem verbunden werden, indem wir generationenübergreifend, Hand in Hand, zusammenarbeiten. Für den optimalen Output müssen gegenseitig Wissen und Erfahrungen geteilt und weitergegeben werden.
  • Konfrontation im Arbeitsleben
    Die generationenübergreifende Zusammenarbeit ist heute wichtiger denn je, denn die unterschiedlichen Generationen können sich gar nicht mehr aus dem Weg gehen. Es treten immer mehr Digital Natives ins Arbeitsleben ein. Laut Statistischem Bundesamt gehören heute etwa 30% der erwerbstätigen Deutschen den digitalen Generationen an. Auf der anderen Seite bleiben die Babyboomer heute immer länger berufstätig, sogenannte Encore-Karrieren gehen sogar über das Rentenalter hinaus. Diese Entwicklungen führen zu einem immer größeren Altersunterschied innerhalb der Belegschaft.
    In der heutigen Wissensgesellschaft, wo Wissen das Kapital des Unternehmens ist, ergibt sich eine enorme Chance, wenn Jung und Alt zusammenarbeiten und Erfahrungen teilen. Denn Diversität fördert, wie in Podcast Folge 13 besprochen, Innovation – und dazu gehört auch Altersdiversität! Es stellt sich also die Frage, wie erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Generationen möglich ist.

Altersgemischte Teams – was nützen sie?

  • Wissenstransfer
    Altersgemischte Teams sind die einfachste und günstigste Option, um Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens zu ermöglichen. Wenn verschiedene Generationen langfristig zusammen in einem Team arbeiten, bringt das den besten Wissensaustausch. Soziale Nähe ermöglicht eine größere Lernbereitschaft, und das implizite Wissen, das schwer zu dokumentieren ist, kann bei einer langfristigen und engen Zusammenarbeit besonders gut weitergegeben werden.
  • Leistungsstärke
    Bernd Dworschak vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation sagt, dass altersgemischte Teams deutlich leistungsstärker sind als altershomogene Teams. Laut Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft setzen zunehmend mehr Unternehmen gezielt darauf, altersgemischte Teams zu kreieren. Dabei ist auf eine ausgeglichene Verteilung der Generationen und die Größe der Teams zu achten. Denn ist eine Altersgruppe in der Minderheit, fühlt sie sich schnell ausgeschlossen. Außerdem können zu große Teams zu Rudelbildung führen, sodass die Jüngeren und die Älteren unter sich bleiben.
  • Beispiel der ING Direktbank
    Ein Beispiel für die Umsetzung von altersgemischten Teams ist die Direktbank ING. Die Bank hatte das Problem, durch schnelles Wachstum zu viele junge Mitarbeiter engagiert zu haben. Einige Kunden haben daraufhin das Feedback gegeben, dass sie gerne auch Bankberater im fortgeschrittenen Alter hätten, mit einer ähnlichen Lebenserfahrung wie sie selber. In Reaktion auf diese Kritik hat ING das Ausbildungsprogramm 50+ gestartet, mit dem Ziel, ältere Generationen ins Unternehmen zu bringen.

Wie funktioniert effektive Kommunikation über Altersgrenzen hinweg?

  • Ein „Zusammen“ schaffen
    Durch unterschiedliche Gewohnheiten, Erfahrungen, Verhaltensmuster, Normen und Ausdrucksweisen der verschiedenen Generationen besteht die Gefahr, dass es bei Altersdiversität zu gestörter Kommunikation kommen kann. Die Generationen müssen sich also zunächst im Arbeitskontext einander anpassen. Die soziologische Ähnlichkeits-Attraktions-Theorie besagt, dass Menschen gerne mit anderen zusammenarbeiten, die sie hinsichtlich ihrer Einstellungen, Werte, Lebenserfahrung und auch demografischen Variablen als ähnlich wahrnehmen. Um aber dennoch auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, ist Kommunikation zwischen den Generationen essentiell. Denn nur so werden ein besseres Verständnis, Empathie und emotionale Intelligenz gefördert. Außerdem ermöglicht Kommunikation, Schubladendenken zu beenden und Vorurteile gegenüber der anderen Generation abzubauen. Es gibt schließlich kein Alt gegen Jung mehr, sondern ein Zusammen!
  • Eine gemeinsame Sprache finden
    Um das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu stärken, braucht man zunächst eine gemeinsame Sprache. Diese bekommt man durch intensive Kommunikation in der Gruppe, was die Grundlage für gegenseitiges Verständnis und die Verständigung ist. Außerdem dient die gemeinsame Sprache als Grundlage, um zusammen Aufgaben und Probleme lösen zu können.
  • Präferenzen abwägen
    Generationen unterscheiden sich auch in ihren Präferenzen. Babyboomer telefonieren lieber oder sprechen von Angesicht zu Angesicht. Die digitalen Generationen bevorzugen eine augenblickliche, textbasierte Kommunikation. Das sind allerdings nur Durchschnittsaussagen, die zu keiner Stereotypenbildung führen sollen. Sie treffen nicht auf jeden in der jeweiligen Generation zu. Wenn man also miteinander spricht, kann man auch herausfinden, was sich innerhalb der Gruppe als Sprache, Kommunikationsform und Medium eignet.
  • Stereotype abbauen
    Altersstereotype abzubauen ist dann möglich, wenn gegenseitig die Vorurteile offen angesprochen werden und generationenübergreifende Begegnungen in altersgemischten Teams geschaffen werden. Dazu gehören beispielsweise auch Veranstaltungen und Orte im Unternehmen, wo alle zusammenkommen können. Dort kann dann auch, hierarchieübergreifend, das jeweilige Wissen der Generation eingebracht werden. So wird gegenseitige Wertschätzung aufgebaut und Altersdiversität als Chance kommuniziert.

Ansätze für generationenübergreifende Zusammenarbeit

Mentoring

Der Global CEO von Deloitte, Punit Renjen, sagt, dass zu seinem beruflichen Erfolg neben harter Arbeit und glücklichen Zufällen insbesondere großartige Mentoren beigetragen haben. Das wünscht sich auch die Generation der Millennials. Sie wollen persönliche Mentoren, die sie unterstützen und innerhalb der Arbeit weiterentwickeln. Deloitte hat dazu eine weltweite Studie veröffentlicht. Dabei kam heraus, dass die Millennials, die nicht den Plan verfolgt haben, in den nächsten 5 Jahren den Arbeitgeber zu wechseln, mit 20% höherer Wahrscheinlichkeit einen Mentor hatten. Über 90% der Befragten mit Mentor waren mit dessen Ratschlägen und dessen Interesse an ihrer Entwicklung zufrieden.

Bei generationenübergreifenden Mentoringprogrammen besteht die Chance, dass die Millennials von der Berufs-, Arbeits- und Lebenserfahrung der älteren Generation lernen können, aber auch, dass sie selber ihre Erfahrung, ihr Wissen und Potential einbringen können.

Mentoringprogramme finden meistens außerhalb der Abteilungsstrukturen statt, sodass Mentor und Mentee in keinem direkten Arbeitsverhältnis stehen. So können sie ein lockeres Verhältnis pflegen, ohne dass die Position, beispielsweise durch überflüssige Fragen, gefährdet würde.

Job Sharing

Noch weiter als die Idee des generationenübergreifenden Mentorings geht die des Job Sharing. Dabei arbeiten zwei Mitarbeiter als Tandem an der gleichen Aufgabe. BASF und Bosch haben bereits Mentoringprogramme und Job-Sharing-Programme in ihren Unternehmen etabliert und damit gute Erfahrungen gemacht. Der Erfolg dieser Konzepte gilt aber nicht nur für Großkonzerne, sondern auch für kleinere Unternehmen, das Familienunternehmen der Bleigießerei Martin Luck beispielsweise mit mehr als 100 Jahren Tradition und mehr als 20 Mitarbeitern. Dort haben vor allem die älteren Mitarbeiter das Wissen, wie die Maschinen zu nutzen und was die individuellen Kundenwünsche sind. Das Unternehmen holt nun einige Mitarbeiter auf freiwilliger Basis aus dem Ruhestand zurück ins Unternehmen. Dort coachen sie die jungen Mitarbeiter und Azubis. Die jungen Mitarbeiter wiederum übernehmen das Mentoring bei Themen wie der Digitalisierung des Unternehmens, beispielsweise durch Neugestaltung der Website. Außerdem wurde ein gemeinsames Wiki erstellt, um Wissensaustausch zwischen den Generationen zu fördern und das übermittelte Wissen zu sichern.

In drei Schritten zur Umsetzung

  1. Schaffe eine Unternehmenskultur, in der Vorurteile und Probleme offen und konkret angesprochen werden! Wissensweitergabe sollte nicht als Belastung, sondern als zentrale Aufgabe angesehen werden. In einem Unternehmensklima, in dem sich alle gleichberechtigt fühlen und frei interagieren können, kann sich jeder mit seiner individuellen Stärke einbringen.
  2. Wende das gegenseitig übermittelte Wissen direkt an! Die Neurologie zeigt, dass Wissen nur dann gut behalten wird, wenn es im Gehirn zu besonders vielen Verknüpfungen kommt. Diese können insbesondere durch die praktische Anwendung aufgebaut werden. Wenn die junge Generation also über Führungsqualitäten und Business Strategy von den älteren, berufserfahrenen Mitarbeitern lernen darf, dann sollte ihnen auch die Chance gegeben werden, das erlernte Wissen auf eigene Projekte in eigenen Teams anwenden zu können. So können sie das neue Wissen besser behalten. Dabei sollten die Mentoren Feedback geben. Gleiches gilt auch für die ältere Generation, wenn sie von den jungen Mitarbeitern lernt.
  3. Starte einen Dialog! Jetzt sofort, mit Kollegen aus unterschiedlichen Generationen. Nur wenn Jung und Alt kollegial und vorurteilsfrei zusammenarbeiten, kann Wissen weitergegeben und die besten Projekte, Ergebnisse, Ideen erzielt werden.