Persönliche Nähe auch im Home-Office

von Philipp Riederle

Bei mobilem Arbeiten oder der Arbeit aus dem Home Office fehlt der informelle und persönliche Austausch mit den Kollegen. Wieso dieser so enorm wichtig ist und wie es gelingen kann auch digital persönliche Nähe aufzubauen – darum geht es in dieser Ausgabe.

Inhalt der Folge

Eine gesunde Arbeitskultur und eine Bindung zum Unternehmen sind nur möglich, wenn sich die Mitarbeiter persönlich wertgeschätzt fühlen und sie ihre Position innerhalb der Organisation im Sozialgefüge kennen. Und das kann nur über informelle und persönliche Kommunikation entstehen. Wie kann das aber auch bei digitaler Arbeit sichergestellt werden?

Persönlich, Interessiert, Offen

Das Gallup Institute hat 2020 für eine Studie rund 200.000 amerikanische Arbeitnehmer befragt. Von ihnen waren nur knapp 40% überzeugt, dass ihr Vorgesetzter sich für sie als Person interessiert. Bei Firmen, in denen rund 80% dieses Gefühl hatten, waren die Fehlzeiten um 41% geringer und es gab 32% weniger Betriebsunfälle als bei den Durchschnittsunternehmen.

Auch für das Vorzeige-Digitalunternehmen Google ist das Persönliche, also digitale Nähe, ganz wichtig. Das Unternehmen hat in einer mehrjährigen Studie mehr als 181 Teams untersucht und dabei herausgefunden, dass nicht die Zusammenstellung des Teams und die Mitglieder den entscheidenden Unterschied machen, sondern das dort herrschende Klima. Wenn alle Mitarbeiter das Gefühl haben, offen und geschützt beitragen und kommunizieren zu können, bringen sich die meisten ein – und die Teams sind am produktivsten. Psychologisch gesprochen muss Sicherheit herrschen, dass niemand Angst haben muss, etwas Falsches zu sagen. An diesem angstfreien Klima muss aber aktiv gearbeitet werden. Weil jedoch in den meisten Unternehmen informelle Kommunikation häufig nur an der Kaffeemaschine stattfindet, ist aktive Förderung und Aufmerksamkeit nötig.

Gefahren durch Kommunikationslücken

Vor allem bei überwiegend digitaler Kommunikation und Zusammenarbeit können Gespräche schnell sehr rational und trocken werden. Psychologen sprechen von der Enthemmung, die darauf zurückzuführen ist, dass das Gesicht des Gegenübers häufig nicht sichtbar ist. Das führt dazu, weniger empathisch, schneller impulsiv oder hauptsächlich negativ zu kommunizieren. Oft wird die Kommunikation sehr einseitig, weil man die Reaktion des anderen nicht sieht. Das führt zu Konflikten und Missverständnissen.

Möglichkeiten digitale Nähe und persönlichen Kontakt zu schaffen 

Was sich in Offline-Unternehmen schon etabliert hat, muss auch bewusst ins Digitale eingeführt werden, um so eine persönliche Nähe herzustellen. Dabei können die folgenden Techniken helfen:

Kommunikationskanäle

Stellen Sie sicher, dass die Kommunikation nicht abreißt, auch wenn man sich nicht den ganzen Tag sieht. Hierzu sind alle erdenklichen Kommunikationskanäle nötig. Dazu gehören ein internes Chat-Tool und ein internes Enterprise Social Network. Die Hochschule Macromedia Köln hat herausgefunden, dass bei 58% der befragten Unternehmen, die ein internes Social Network eingeführt haben, eine Zunahme der Unternehmens-Kommunikation stattgefunden hat.

Der Vorteil der Chat-Tools und Enterprise Social Networks ist, dass die Benutzung bei den Mitarbeitern schon bekannt, vertraut und beliebt ist. Setzen Sie dafür ein dezidiertes Unternehmenstool ein, keine öffentliche FB-Gruppe oder WhatsApp, denn dort sind die Daten und die Kommunikation nicht kontrollierbar und geschützt.

Persönliche Kommunikation

Sind die Kanäle für die Kommunikation geschaffen, gilt es, die Konversation persönlich zu gestalten. Starten Sie beispielsweise Videokonferenzen oder Telefonate grundsätzlich immer mit Smalltalk oder Icebreaker-Fragen. Eine Studie der Harvard Business School zeigt, dass knapp die Hälfte der Befragten denjenigen Vorgesetzten als besser empfinden, der sich regelmäßig mit den Mitarbeitern austauscht und Smalltalk macht.

Das Team kennenlernen

Um das Gefühl der Zusammenarbeit zu stärken, kann ein kurzes morgendliches Check-in Meeting durchführt werden. Hier kann jeder kurz erzählen, wie es ihm geht und was heute ansteht. Alle tieferen Gespräche sollten später bilateral stattfinden.

Um die fehlenden gemeinsamen Pausen und zufälligen Begegnungen auf dem Flur zu kompensieren, kann man das Kennenlernen aktiv fördern. Durch das Angebot verschiedener verbindender Aktivitäten können sich auch Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen kennen lernen. Beispielsweise kann man an einem festgelegten Wochentag einen Blind Date Lunch organisieren. Bei Anmeldung kann man die Mittagspause mit einem bisher unbekannten Kollegen verbringen, der einem zufällig zugeordnet wird.

Gemeinsame Events

Gemeinsame Aktivitäten oder das gemeinsame Feierabendbier fördern den Zusammenhalt ungemein. Doch wie kann das online stattfinden? Zum Beispiel durch eine Feierabendroutine online, bei einem gemeinsamen Online-Spiel etwa oder beim gemeinsamen Anschauen eines unternehmensrelevanten Netflix-Films. Diese Routinen können auch als Pause dienen, bei der Druck abgelassen und Kontakt aufgebaut werden kann. Auch bei gemeinsamen Events können Mitarbeiter Kontakte untereinander knüpfen, zum Beispiel bei Vorträgen externer oder interner Speaker mit interaktiver Kommunikation.

Ein wirklich bindendes Teamerlebnis ist ein Team-Retreat. Ein- bis zweimal pro Jahr kann sich das Team einige Tage zusammen zurückziehen und fernab vom Alltag neue Ideen ausarbeiten oder an bestehenden Projekten feilen. Diese gemeinsame Auszeit ist auch der ideale Zeitpunkt, genau das zu tun, was online am schwersten ist: gemeinsames Brainstorming, Debatten über Team und Abteilungsgrenzen hinweg führen, neue Visionen, Strategien und Projekte entwickeln. Manche Führungskräfte sprechen nach einem solchen Event von einem Post-Retreat High, bei dem über Monate nach dem Retreat gesteigerte Produktivität und Engagement beobachtet werden kann.

Auch fern ganz nah

Der Vorteil ist, dass der Aufbau persönlicher Nähe das Unternehmen kaum finanziell belastet. Allerdings muss die Aufmerksamkeit klar auf das Thema der persönlichen Nähe gelenkt werden. Dazu gehört, die Initiative zu persönlichem Austausch, zu Smalltalk und zu informeller Kommunikation zu ergreifen. Denn das ist gerade für digitale Kanäle essentiell. Für diesen Austausch muss Zeit und Gelegenheit geboten werden. Als Unternehmensführung sollten Sie als Vorbild vorangehen und sich für die Kollegen interessieren, sodass sie auch über Distanz das Gefühl der persönlichen Nähe bekommen.