Digitale Kundenbeziehungen

von Philipp Riederle

Digitale Generationen als Kunden bringen Forderungen und Erwartungen mit. Und digitale Kanäle ermöglichen neue Wege, enge digitale Kundenbeziehungen herzustellen. Und zwar in Kundenberatung, im Kundensupport und auch bei der Einbindung der Kunden in die Produktentwicklung. Über Relevanz, Erwartungen und Best Practices in diesen drei Bereichen sprechen wir in dieser Ausgabe von Digital? Klar!”. 

Inhalt der Folge

Der digitalen Generation wird oft vorgeworfen, dass sie durch Online Shopping gute Beratung und Kundenbeziehungen unmöglich machen. Aber in digitale Kundenbeziehungen zu investieren ist essentiell, um Digital Natives als Kunden zu gewinnen.

Digitale Kundenberatung

Relevanz guter Online-Kundenberatung

Laut einer Studie des Branchenverbandes Bitkom kaufen 55 Millionen Bundesbürger im Internet, davon 34% einmal pro Woche. Besonders bei der digitalen Generation ist Mobile Shopping beliebt: Es shoppen 81% der 14- bis 29-Jährigen mit dem Smartphone. Dabei halten 63% auch Social Media für einen relevanten Shopping-Kanal.

Informierte Entscheidungen

Hinsichtlich der Beratung gibt es online noch einiges Potential. Nur 5% der Befragten der Studie Einkaufswelten bevorzugen den Onlinekauf im Hinblick auf die Beratung. Doch gerade den Millennials ist eine informierte Kaufentscheidung wichtig. Der Generation wird gerne nachgesagt, dass sie mehr Zeit mit der Vorbereitung einer Konsumentscheidung verbringt als mit dem tatsächlich konsumierten Produkt selbst. Vor dem Einkauf betreiben 3 von 4 Millennials umfangreiche Recherchen. Laut einer Google-Statistik nutzt Generation Y für eine Kaufentscheidung durchschnittlich 10 unterschiedliche Informationsquellen. Für Angehörige der digitalen Generation ist es selbstverständlich, sich jederzeit Informationen über das Netz beschaffen zu können, und sie wollen informierte Entscheidungen statt blindem Vertrauen.

Einfluss der Beratung auf die Markenwahrnehmung

Der Wunsch, sich informiert entscheiden zu können, zieht sich durch alle Kanäle. Auch im Offline-Handel erwartet der Kunde, vom Berater kompetente Auskunft zu bekommen. Dabei sollte diese aber informativer sein als eine kurze Online-Recherche. Denn wenn die Beratung wenig kompetent ist, bevorzugen die jungen Kunden die eigene Online-Recherche und sparen sich den Weg in das Geschäft. Bei schlechter Beratung vor Ort schreibt diese Generation schnell den Berater, das Unternehmen oder auch gleich den ganzen Offline-Handel für sich ab.

Best Practice

  • (Beratungs-)Qualität
    Der hohe Anspruch hinsichtlich Informations- und Beratungsqualität besteht aber nicht nur offline, sondern auch online. Auch wenn wir online bei Händlern einkaufen, geht es um mehr als nur um eine simple Transaktion. Digital Natives finden Qualität und Authentizität wichtiger und legen weniger Wert auf bekannte Markenwelten.
  • Convenience
    Die Qualität muss nach dem Motto: „Convenience first!” möglichst unkompliziert sein. Laut Statistiken ist 70% der befragten jungen Kunden ein schneller und unkomplizierter Ablauf sehr wichtig.
  • Omnichannel
    Für den Kunden sollte der problemlose Wechsel der Channels möglich sein. Das bedeutet, dass er nicht nur zwischen den unterschiedlichen Online-Kanälen wechseln kann, sondern auch, dass er oder sie den Einkauf online beginnen und offline fortsetzen kann, oder online bestellt und offline abholt, oder offline bestellt und online zugeliefert bekommt. Eine ausgereifte Omnichannel-Strategie kann dies ermöglichen. Auch Omnichannels führen zu mehr Convenience.

Beispiel: Vaude Onlineshop

Ein vorbildliches Unternehmen beim Thema Online-Kundenberatung ist Vaude, ein Hersteller für Outdoor-Artikel. Die Firma ist nicht nur beispielhaft in der Online-Kundenberatung, sondern auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Outdoorartikel haben einen relativ hohen Beratungsbedarf. Vaude bietet auf seiner Website detaillierte Infos zu den Produkten, aber auch Informationen zu Nachhaltigkeit und fairer Produktion. Daneben gibt es Online-Anleitungen und Tipps für Ersatzteile, Pflege und Reparatur der Produkte. Vaude betreibt zudem einen Reiseblog mit Reisetipps und News zum Thema Outdoor und Sport. Angesprochen wird der Kunde in den Beiträgen mit freundlichem „Du”, ganz so, als würde ihn der sympathische Typ aus der Kletterhalle ansprechen. Das Highlight bei Vaude aber ist die Online-Beratung. Sucht man beispielsweise ein Zelt, gibt es auf der Website einen sehr detaillierten Fragebogen, der den Kunden Schritt für Schritt zum Kauf leitet. Es wird beispielsweise nach Einsatzgebiet, Urlaubsart, Einsatzhäufigkeit, Anzahl und Größe der Personen und weiteren Details gefragt. Basierend auf den Aussagen werden schließlich die passenden Artikel vorgeschlagen. Benötigt der Kunde Hilfe, kann er über den Support Button per Chat mit einem Mitarbeiter des Unternehmens verbunden werden.

Digitaler Kundensupport

Relevanz von gutem Kundensupport

Das „Service Recovery Paradoxon“ besagt, dass ein Kunde mit einem Problem, der keinen oder nur schlechten Kundensupport bekommt, den Anbieter wechselt und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit seinen Unmut teilt. Andererseits empfindet ein Kunde, der ein Problem hat und guten Kundenservice erfährt, eine höhere Zufriedenheit und Bindung als ein Kunde, der nie ein Problem hatte. Dieser Kunde teilt seine positiven Erfahrungen mit seinen Mitmenschen. Wenn also ein zunächst unzufriedener Kunde guten Service bekommt, so wendet sich das Problem zu einer positiven Erfahrung. Das bedeutet aber, dass der Kundensupport wirklich ausgezeichnet sein muss. Die Antworten sollten so schnell wie möglich und in einem angemessenen Ton kommen.

Folgen schlechter Kundenerfahrung

Der richtige Umgang ist heute von größter Bedeutung, denn jeder Kunde hat eine weltweite Stimme. Schon eine einzige negative Kundenerfahrung kann einen negativen Tweet, eine schlechten Bewertung oder einen Post mit viel Aufmerksamkeit nach sich ziehen. Das kann zu großem Ärger und einem PR-Gau führen. Shitstorm oder Flame-Wars gibt es immer wieder, und besonders junge Menschen sind gewillt, schlechte Erfahrungen online zu teilen.

Der Kunde ist König

Die digitale Generation hat eine geringe Aufmerksamkeitsspanne und erledigt Dinge gerne direkt. Die Kunden wünschen sich einen simplen und schnellen Service. 25% der befragten Millennials erwarten auf ihre Anfrage via Social Media innerhalb von 10 Minuten eine Antwort. Außerdem erwarten sie persönliche Wertschätzung. Es gilt also der gute alte Spruch: Der Kunde ist König!

Best Practice

  • Personalisierung
    Ein Report aus 2020 hat ergeben, dass sich bei der Interaktion nur 26% der Kunden als Individuum und nicht als Nummer verstanden fühlen. Dabei ist es ganz einfach, durch die Nutzung eines entsprechenden Systems Cross-Channel den Anfrageakt zu personalisieren. Idealerweise stehen im Kundenkonto die bisherigen Interaktionen und vergangenen Bestellungen zu Verfügung.
  • Kommunikation
    Die Reaktion sollte sich möglichst am jeweiligen Kontext orientieren. Gibt es einen lockeren Tweet, kann eine formlose, humorvolle Antwort angemessen sein. Kommt aber eine ernste E-Mail an, so sollte diese auch respektvoll beantwortet werden.
  • Hilfe zur Selbsthilfe
    Noch besser aber ist es, wenn es gar nicht erst zum direkten menschlichen Kontakt kommt. Es sollten ausgefeilte Hilfen zur Selbsthilfe zur Verfügung stehen. Die digitale Generation ist mit selbsterklärender Software aufgewachsen und gewohnt, Probleme eigenständig zu lösen. Das bedeutet also, dass Supportdokumente im Netz für alle zugänglich sein sollten. Im Idealfall kann der Kunde auch alle Interaktionen, Änderungen und Vorgänge selber über das Kundenkonto anstoßen.

Beispiel: Berliner Verkehrsbetriebe

Ein Vorbild hinsichtlich gelungenen Kundensupports sind die Berliner Verkehrsbetriebe. Auf ihrer Website sind hilfreiche Online-FAQs und -Ratgeber zu finden. Es gibt ein Online-Fundbüro, wo gefundene Gegenstände direkt online angesehen und nach Ort, Zeit und Art ausgegeben werden können. Auf Anfragen und Beschwerden über Social Media bekommt der Kunde innerhalb weniger Stunden eine Antwort. Der Kontaktstil ist dabei immer angemessen. Es gibt Wortwitze und Selbstironie zu Verspätungen, aber auch aufrichtige Entschuldigungen und die Einleitung tatsächlicher Maßnahmen bei Beschwerden.

Produktentwicklung mit dem Kunden

Chancen gemeinsamer Produktentwicklung

Bill Gates sagt:Your most unhappy customers are your greatest source of learning.” Kunden kennen die Produkte am allerbesten, und ihr Feedback ist extrem kostbar. Gleichzeitig fühlen sich die Kunden wertgeschätzt, wenn sie nach ihrer Meinung gefragt werden. Die digitale Generation liebt die Feedbackkultur und erwartet, dass ihre Meinung gehört und berücksichtigt wird.

Best Practice

  • Kundendaten erheben
    Durch digitale Produkte und digitales Einkaufen können Sie aus jeder Kundeninteraktion Daten und Feedback sammeln. Sehen Sie jeden Klick als Erhebungspunkt an. Sie sollten auch die Verbesserungen von Kunden in Support-Anfragen sammeln, auswerten und idealerweise berücksichtigen. Einige Unternehmen konzipieren ihre Produkte fast ausschließlich auf der Grundlage von Benutzerdaten. Ihnen ist also ganz klar, was die Kunden wollen. Die Produkte von Amazon Basics beispielsweise oder auch alle Netflix Original-Serien oder Filme basieren auf den Daten der Kunden.
  • Wertschätzung
    Die Kunden, die sich die Mühe machen, Feedback zu geben, freuen sich nicht nur über die Umsetzung, sondern auch über eine kleine Anerkennung dafür, dass sie sich die Mühe gemacht haben, ihre Meinung kundzugeben. Google setzt das beispielsweise bei seinen Google Local Guides Für jede Bewertung auf Google Maps werden Punkte vergeben, und nach Erreichen eines bestimmten Levels werden exklusiver Content oder Events freigeschaltet sowie Wimpel, Abzeichen und Vorteile im Userprofil angezeigt.
  • Onlineplattformen
    Es gibt Plattformen, die jedes Unternehmen nutzen kann, um Daten zu sammeln. Die Plattformen erlauben sogar, dass die Kunden über Vorschläge abstimmen können. Eine bekannte Plattform, die auch von großen Unternehmen wie beispielsweise Microsoft eingesetzt wird, ist UserVoice. Es lohnt sich außerdem auch, das Feedback aus den unterschiedlichsten Kanälen, in denen man mit dem Kunden in Kontakt steht, zu sammeln und auszuwerten. Mention.com sammelt beispielsweise alle Erwähnungen einer Marke im Netz oder Social Media.

Beispiel: Lego Ideas

Ein Beispiel ist Lego Ideas. Das Unternehmen hat eine eigene Plattform geschaffen, um die Meinung von Lego-Fans einzuholen. Dort gibt es wöchentliche Ausschreibungen, zu denen die Nutzer ihre eigenen Legokreationen, aber auch eigene Produktideen einsenden können. Die Ideen werden in der Community besprochen, die darüber abstimmt, welche realisiert werden sollen. Es kann dann auch nachverfolgt werden, auf welchem Stand der Umsetzung die Ideen sind und wann sie im Handel erhältlich sind. Unter allen Teilnehmern werden dann Lego-Sets zur Belohnung verlost. Die Plattform zeigt Lego genau, was die Wünsche der Kunden sind, und gibt Anregungen für neue Produkte. So werden die Kunden noch enger an das Unternehmen gebunden und dazu ermuntert, ganz regelmäßig mit der Marke und dem Produkt zu interagieren.